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Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen den Vorstandsvorsitzenden der EnBW Prof. Dr. Utz Claassen insgesamt zugelassen

Datum: 08.06.2007

Kurzbeschreibung: 

Dies hat heute der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen einen Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 7.11.2006 angeordnet. Für die Entscheidung des Oberlandesgerichts waren dabei allein prozessuale Gründe maßgeblich. Ausführungen zur Frage, ob gegen Prof. Dr. Utz Claassen hinsichtlich der Gewährung von Gutscheinen für Karten von Spielen der Fußballweltmeisterschaft an Mitglieder der Landesregierung von Baden-Württemberg der Tatverdacht der Vorteilsgewährung besteht, enthält der Beschluss nicht. Er stellt im Ergebnis fest, dass die vom Landgericht Karlsruhe vorgenommene Trennung von Tatvorwürfen rechtlich nicht zulässig war.

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat dem Angeklagten mit einer am 18.7.2006 erhobenen Anklage zur Großen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zur Last gelegt, sich wegen Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) in sieben Fällen strafbar gemacht zu haben. Grundlage des Vorwurfs ist der Umstand, dass der Angeklagte in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) an einem Nachmittag im Dezember 2005 Weihnachtskarten mit handschriftlich verfassten persönlichen Grüßen unter anderem an fünf Minister und den Regierungschef der Landesregierung von Baden-Württemberg sowie an einen Staatssekretär der Bundesregierung übersandt und diesen jeweils einen Gutschein über Karten für ein Spiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 beigefügt hatte. Die Anklagebehörde ist dabei davon ausgegangen, dass der Wert eines Logenplatzes für den Spielort Stuttgart 2.111 € und für Berlin je 2.600 € betragen habe.

Das Landgericht Karlsruhe hat mit Beschluss vom 7.11.2006 die Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe lediglich insoweit zugelassen, als dies den Vorwurf der Vorteilsgewährung an den Staatssekretär der Bundesregierung betrifft. Hinsichtlich des Vorwurfs der Vorteilsgewährung an fünf Minister der Landesregierung von Baden-Württemberg sowie deren Regierungschef hat die Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens maßgeblich deshalb abgelehnt, weil ein strafrechtlich relevanter Bezug zur Dienstausübung dieser Personen nicht bestanden habe, sondern die Einladungen der Mitglieder der Landesregierung aufgrund deren Repräsentationsfunktion im Rahmen des Sponsoringkonzepts der EnBW für die WM 2006 erfolgt seien.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 15.11.2006 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe nunmehr die erfolgte Teilablehnung der Anklage der Sache nach aufgehoben (vgl. hierzu auch den angefügten Hinweis), seine Entscheidung aber allein auf prozessuale Gründe gestützt.

Nach der Strafprozessordnung ist eine teilweise Ablehnung der Eröffnung einer Anklage nach § 207 Abs. 2 Nr.1 StPO nur möglich, wenn es sich bei den auszuscheidenden Teilen der Anklage um prozessual selbständige Taten handelt. Dies hat der Senat vorliegend verneint. Gegenstand der Anklage sei vielmehr ein einheitliches, zeitlich und örtlich ineinander übergehendes Tatgeschehen, welches auch innerlich derart verknüpft sei, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig bewertet werden könne (sog. prozessuale Tat). Der Anklagevorwurf werde nämlich gerade dadurch maßgeblich geprägt, dass der Angeklagte über sein an dem Nachmittag im Dezember 2005 erfolgtes Handeln hinaus in der Folgezeit ersichtlich keine weiteren tatbestandsrelevanten Handlungen getätigt habe. Das dem Angeklagten vorgeworfene Verhalten erschöpfe sich auf einen örtlich, zeitlich und situativ eng begrenzten Sachverhalt, nämlich der bloßen Versendung von Weihnachtskarten mit beigelegten WM-Gutscheinen an einem Nachmittag im Dezember 2005. Dieses Verhalten stelle sich bei natürlicher und objektiver Betrachtung aber als ein einheitliches geschichtliches Vorkommnis dar.

Der Entscheidung des Landgerichts ist - so der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe - daher bezüglich des Vorwurfs der Vorteilsgewährung an fünf Minister der Landesregierung von Baden-Württemberg sowie deren Regierungschef nicht als teilweise Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 207 Abs.2 Nr. 1 StPO, sondern lediglich als vorläufige rechtliche Würdigung des Anklagevorwurfs nach § 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO anzusehen. Eine solche Bewertung ist aber der sachlichen Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen. Ob die Strafkammer zu Recht einen hinreichenden Tatverdacht teilweise verneint hat, war daher nicht zu beurteilen. Die rechtliche Einschätzung des Landgerichts beansprucht sonach als nicht bindende vorläufige Würdigung weiterhin Geltung. Da die Strafkammer die Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe bezüglich des Vorwurfs der Vorteilsgewährung an einen Staatssekretär der Bundesregierung aber zugelassen und insoweit das Hauptverfahren eröffnet hat, muss sie - so der Senat - wegen der Einheitlichkeit des Geschehens in ihre Urteilsfindung nunmehr den gesamten Prozessstoff mit einbeziehen.

Oberlandesgericht  Karlsruhe, Beschluss vom  08.06.2007
- 1 Ws 260/06  -

Hinweis:

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 18.7.2006 sowie des Landgerichts Karlsruhe vom 9.11.2006 verwiesen.

Ein Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Karlsruhe steht noch nicht fest.

Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der 1. Strafsenat in seiner Entscheidungsformel die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe als unzulässig verworfen und lediglich zur Klarstellung festgestellt, dass durch den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe nicht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten wegen einzelner Taten im Sinne des § 207 Abs. 2 Nr. 1 StPO abgelehnt, sondern die Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 18.07.2006 mit der Maßgabe zugelassen worden ist, dass sich der hinreichende Tatverdacht nicht auf die unter Nr. 1 bis 6 der Anklage bezeichneten Teile der Tat bezieht und insoweit der Vorwurf der Vorteilsgewährung entfällt (§ 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO).
(Hinweis: Bei den Teilen Nr. 1 bis 6 der Anklage handelt es sich um die Vorwürfe bzgl. der Vorteilsgewährung an fünf Minister der Landesregierung von Baden-Württemberg sowie deren Regierungschef; der Vorwurf der Vorteilsgewährung an einen Staatssekretär der Bundesregierung ist unter Nr.7 in der Anklage dargestellt).

Hinweis auf die Rechtslage:

§ 207 StPO Eröffnungsbeschluss

(1)  In dem Beschluss, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, lässt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2)  Das Gericht legt in dem Beschluss dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zulässt, wenn

  1. wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
  2. . . .
  3. die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
  4. . . .

§ 333 StGB  Vorteilsgewährung

(1)  Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) . . . 

(3)  Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers genehmigt.

 

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